ESG in der Immobilien-wirtschaft
Ob für institutionelle Investoren, Fondsanbieter und Asset Manager ebenso wie für Bestandshalter oder Projektentwickler – das Thema ESG hat in der Immobilienwirtschaft über alle Assetklassen hinweg enorm an Bedeutung gewonnen.
Was bedeuten die ESG-Anforderungen für die Immobilienwirtschaft?
Vereinfacht gesagt, geht es beim Thema ESG – Environment (ökologische Verantwortung), Social (soziale Verantwortung) und Governance (gute Unternehmensführung) – um umfassende Nachhaltigkeit. Und zwar sowohl mit Blick auf das unternehmerische Handeln und dessen Auswirkungen, etwa auf die Umwelt, als auch um Unternehmensethik und soziale Verantwortung. Viele Unternehmen haben sich schon seit längerem der Corporate Social Responsibility (CSR) verpflichtet, mit ESG sollen die entsprechenden Ergebnisse messbar werden.
Welche ESG-Kriterien gibt es bei Immobilien?
Grundsätzlich gelten die ESG-Kriterien für jede Form unternehmerischen Handelns – und damit auch für die Akteure in der Immobilienwirtschaft. ESG im Bereich Real Estate entwickelt sich aktuell zu einem unverzichtbaren Teil des Asset Managements: Investoren ebenso wie die Finanzierungsseite nehmen das Thema ESG verstärkt in den Blick. Sie erwarten, dass Real-Estate-Unternehmen sich mit den ESG-Anforderungen auseinandersetzen, entsprechend handeln und ihr Handeln nachvollziehbar dokumentieren.
ESG in der Immobilienwirtschaft schafft Transparenz und verringert ökonomische Risiken auf die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage. Das kann sich positiv auf die Reputation eines Unternehmens auswirken und den Wert von Immobilien und deren Profitabilität für Investoren und Finanzierer hervorheben.
E wie „Environment“: ökologische Verantwortung
Rund 40 Prozent aller CO2-Emissionen entfallen auf Gebäude. Allein das macht deutlich, warum die Immobilienwirtschaft – wie übrigens auch die Baubranche – sich ihrer Verantwortung für die Umwelt stellen muss. Demnach bedeutet das E im Bereich ESG und Immobilien: Beim Management des eigenen Produktportfolios stehen heute Aspekte wie Umweltverschmutzung, Arten- und Ressourcenschutz, Energieeffizienz oder Treibhausgas-emissionen unausweichlich mit auf der Agenda. Auch wenn die Immobilienwirtschaft hinsichtlich des E von ESG in den vergangenen Jahren durch entsprechende Zertifizierungssysteme bei Neubauten schon einige wichtige und richtige Schritte vollzogen hat, ist vor allem im Bereich älterer Bestandsgebäude noch viel „Grundlagenarbeit“ nötig, um den Zustand der Objekte zu erfassen und zu verbessern.
S wie „Social“: soziale Verantwortung
Die ESG-Kriterien verlangen von Akteuren in der Immobilienwirtschaft auch, ihre soziale Verantwortung als Unternehmen nachweisbar wahrzunehmen. Das bedeutet: Faktoren wie soziale Gerechtigkeit, Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit für Beschäftigte entlang der gesamten Wertschöpfungskette, die sozialen Auswirkungen von Immobilien und Immobilienprojekten (Bau und Anteil von Sozialwohnungen, kommunale Infrastruktur, Barrierefreiheit …) oder auch gesellschaftliches Engagement gewinnen weiter an Gewicht.
G wie „Governance“: gute Unternehmensführung
ESG in der Immobilienbranche bedeutet nicht zuletzt: Das ethische Verhalten eines Unternehmens kommt auf den Prüfstand. Wer die ESG-Kriterien im Bereich Immobilien ernst nimmt, kommt nicht umhin im Bereich Governance nachvollziehbar für Transparenz zu sorgen. Das betrifft zum Beispiel die Aufsichtsstrukturen und die Zusammensetzung der Führungsebene, aber auch die Compliance, also die Regeltreue, nicht zuletzt im Umgang mit Bestechung und Korruption. Ebenfalls in diesen Bereich fallen Chancengleichheit und die Auswirkungen des wirtschaftlichen Handelns auf die Gesellschaft. Gute Unternehmensführung hat einen entscheidenden Anteil am Risiko- und Reputationsmanagement.
Der ESG-Score von Immobilien als Bewertungsmaßstab
Im Bereich der Immobilienwirtschaft kommen die ESG-Kriterien primär bei Neubauten und Renovierungsmaßnahmen sowie beim Kauf von Objekten zum Tragen. Ein guter Platz in ESG-Rankings erfordert neben der Optimierung von Neubauten auch das Sanieren bestehender Objekte im jeweiligen Portfolio. Besondere Bedeutung haben die ESG-Kriterien für Investoren, die mithilfe von Kapitalanlagen in verschiedene Märkte und Unternehmen investieren: Je höher der ESG-Score, als desto sicherer gilt das Investment. ESG im Real Estate erfordert daher klare Ratingstandards, um über alle Assetklassen hinweg den ESG-Zustand von Objekten zu erfassen und auf ausgewählten Ebenen zu vergleichen.
ECORE-Scoring als Branchenstandard im Bereich ESG und Immobilien
Bei der ESG-Zertifizierung von Immobilien etabliert sich in Deutschland und Europa zunehmend das ECORE-Scoring als Branchenstandard. ECORE (ESG Circle of Real Estate) wurde 2020 für den Immobilienmarkt entwickelt. Damit steht ein Bewertungsmaßstab bereit, der über alle Assetklassen hinweg einsetzbar ist und Vergleiche innerhalb einzelner Objektgruppen erlaubt. In die Bewertung fließen über die ESG-Kriterien hinaus mit ein: alle einschlägigen Regularien, Gesetze und Verordnungen sowie absolvierte Zertifizierungen. Die Taxonomie-Kriterien des EU Action Plan on Sustainable Finance und die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens werden dabei automatisch beachtet. Der ermittelte Score-Wert wird anhand einer Skala von null bis 100 Punkten ersichtlich. Der ECORE wird laufend an neue Anforderungen angepasst.
ESG-Trends der Zukunft: Wie wird sich die Branche entwickeln?
Noch lässt sich ESG-Konformität vor allem mit Neubauten erzielen. Doch hier ist das Angebot begrenzt und wird auch angesichts der personellen und Materialengpässe in der Bauwirtschaft in absehbarer Zeit nicht steigen. Entsprechend teuer sind Neubauprojekte. Andererseits werden nicht ESG-konforme Bestandsimmobilien kontinuierlich an Wert verlieren, teilweise auch, weil sie immer schwieriger zu vermarkten sind. Daher dürfte sich langfristig eine Sanierung des Bestands durchaus lohnen, vor allem wenn in Zukunft bei Abriss und Neubauten die grauen Emissionen – Emissionen, die bei der Herstellung von Baustoffen und bei der Konstruktion anfallen und immerhin bis zu 80 Prozent aller Emissionen im gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes ausmachen – in die Bewertung eines Objekts miteinfließen.
EU-Taxonomie, ESG und EU-Offenlegungsverordnung
Grundlage sind Daten, Daten, Daten und die Möglichkeit, diese Daten strukturiert zusammenzuführen. Daher ist es unabdingbar, ein standardisiertes Datengerüst zu entwickeln und ein entsprechendes Informationssystem aufzubauen, das als Grundlage sowohl für das ESG-Reporting als auch für die Bewertung der Immobilien dienen kann. Die Herausforderung, die mit ESG für die Immobilienwirtschaft verbunden ist, besteht vor allem im Aufbau eines solchen Systems, das technische und kaufmännische Daten verbindet, einzelne Objekte oder Objektgruppen vergleichbar macht und möglichen Handlungsbedarf verdeutlicht.